Manchmal denkt man ja, dass Wissenschaftler eine andere Sprache sprechen als unsere Politiker in Berlin und Brüssel. Seit Jahren gibt es Studien und Untersuchungen, zum Beispiel vom ADAC, der Deutschen Energie Agentur (dena) oder von Fraunhofer Instituten, in denen CNG-Antrieben eine wichtige Rolle zugestanden wird, wenn es um die Frage geht: Wie erreichen wir in Deutschland am schnellsten effektiven und umfassenden Klimaschutz? 

Letzte Woche machte mich ein Club-Mitglied auf eine umfassende Studie aufmerksam, die im Juni 2022 veröffentlicht wurde und zu demselben Ergebnis kam. Sie kann über den Link https://energiezukunft-optimiert.de in Vollversion und als Kurzbericht wie auch am Ende dieses Blog-Beitrages heruntergeladen werden.

Erstellt wurde die Studie von der österreichischen Beratungsgesellschaft WECOM, die über leistungsfähige Simulationstools verfügt und sich auf den Energiemarkt spezialisiert hat. Auftraggeber waren neben drei großen deutschen Netzbetreibern der Energieriese E.ON sowie Audi und Bosch.

 

Die erste Gesamtbetrachtung des Energiemarkts

In der wirklich komplexen, aber sehr transparenten Studie geht es nicht nur um den Mobilitätsmarkt, sondern um den gesamten Energiemarkt in Deutschland, also inklusive Industrie, Haushalte, Wärmemarkt und Verkehr. Das macht sie so aussagekräftig und relevant, denn es ergibt keinen Sinn, nur einzelne Sektoren isoliert zu betrachten. Die hochinteressante Fragestellung der Studie lautete: Wie sollte ein zukünftiges Energiesystem in Deutschland aussehen, wenn man nur noch mit regenerativer Energie wirtschaften kann, das Ganze aber gleichzeitig versorgungssicher und so kostengünstig wie möglich funktionieren soll?

Eine Antwort nehme ich mal vorweg: In diesem kostenoptimalen, 100 % regenerativen Energiesystem, das die Studie grob im Jahr 2050 verortet, sind über 50 % der PKW mit CNG-Antrieben und erneuerbarem Methan unterwegs, während E-Autos rund ein Drittel des Bestandes ausmachen. Der Rest, rund 15 %, wird mit flüssigen Kraftstoffen versorgt, also mit erneuerbarem Diesel oder Benzin. Auch bei den schweren LKW dominieren CNG-Antriebe.

Da fragt man sich dann schon: Warum in aller Welt verbietet die EU ab 2035 Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotor, also auch von CNG-Fahrzeugen, selbst dann, wenn sie mit BioCNG oder eGas angetrieben werden?

 

Unterschiedliche Randbedingungen – trotzdem ein klarer Sieger

Dabei sind die Grundvoraussetzungen, die für diese Studie gewählt wurden, für CNG-Fahrzeuge gar nicht mal so gut: Zum einen hatten sich die Studienteilnehmer darauf geeinigt, dass bestehende Sachwerte wie das Gasnetz, Motorenwerke oder die Tankstelleninfrastruktur keine Rolle spielen dürfen. Denn "Besitzstandswahrung" wollten sie sich keineswegs unterstellen lassen, sondern nur die Frage beantworten, was dauerhaft und ohne Berücksichtigung der heutigen Situation die beste Kombination von Technologien wäre. Also wenn man als Deutschland in puncto Energieinfrastruktur und Fahrzeugbestand ganz neu auf der grünen Wiese anfangen dürfte.

Zum anderen wurden in Bezug auf die Herstellung von grünem Strom in Deutschland – wichtig für den Erfolg von Elektro-Autos - überaus optimistische Annahmen getroffen: Gegenüber heute 3,5-mal mehr Windkraft an Land, 7-mal mehr auf dem Meer (Offshore), Faktor 8 gegenüber heute bei den Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen und fast Faktor 4 bei Photovoltaik auf Gebäudedächern.

Was noch wichtiger ist und für alle Energiestudien gilt: In Bezug auf Rohstoffe für den Bau von Autos, Energie-Anlagen und Infrastrukturen wurde ein freier, offener Weltmarkt vorausgesetzt, also ohne geopolitisch motivierte Einflüsse durch die USA oder China. Rohstoffe wie Graphit, Lithium, Kobalt oder Kupfer werden also als Güter angenommen, die in beliebiger Menge und zu üblichen Weltmarktpreisen verfügbar sind. In Summe sind das eher sehr vorteilhafte Randbedingungen für die Elektromobilität – die man aber als eher als absolut unrealistisch betrachten dürfte, wenn man sich wenigstens ab und zu die Nachrichten anschaut.

 

Wenn Fakten statt Ideologie zählen

Dennoch räumt die E-Mobilität im kostenoptimalen Szenario der Studie nicht alles andere ab, sondern stellt nur einen Faktor unter mehreren dar. Und für viele Nutzungsarten reiht sich das E-Auto bzw. der E-LKW kostenmäßig hinter der CNG-Lösung ein, während die Gesamtkosten für die Nutzung von Diesel- und Benzin-Autos noch ein bisschen höher sind.

Warum ist das so, wo doch E-Antriebe deutlich effizienter sind als Verbrennungsmotoren? Nun, laut Studie sind die Energiekosten – wie auch heute – beim Betrieb eines Autos nur ein Faktor von vielen. Zum anderen – und diese Information ist wenig überraschend, aber eine fundamental wichtige Erkenntnis für alle Sektoren – ist an den meisten Tagen im Jahr trotz des angenommenen extremen Ausbaus von Windkraft und Photovoltaik nicht genügend grüner Strom da, um alle Verbraucher direkt zu versorgen. An den meisten Tagen des Jahres wird ein Teil des Stromes aus Wasserstoff erzeugt, aus Power-to-Gas-Anlagen im In- oder Ausland. Dieser sozusagen zwischengespeicherte Strom ist natürlich nicht beliebig billig und wird die Preise am Strommarkt bestimmen. Gleichzeitig sind am Markt erhebliche Mengen Biomethan aus Deutschland und auch synthetisches Methan aus dem sonnen- und windreichen Ausland verfügbar. Diese können laut Simulation das Angebot grünen Stroms gerade im Verkehrssektor optimal zu überschaubaren Kosten ergänzen.

Schlussendlich sind die Gesamtkosten laut Studie für alle Antriebslösungen auf einem recht ähnlichen Niveau, aber eben bei leichten Vorteilen für das CNG-Fahrzeug in den meisten Nutzergruppen. Dabei wurden Kriterien wie Fahrleistungen oder Tank- bzw. Ladezeiten bei den PKW nicht in die Modellierung einbezogen. In der realen Welt wären auch persönliche Vorlieben der Nutzer ausschlaggebend. Wer die Vorteile eines E-Autos besonders schätzt, bspw. die Laufruhe und die starke Beschleunigung, wird sich für den Elektroantrieb entscheiden. Wer Tank- oder Aufladezeiten von einer halben  oder auch Viertelstunde nicht akzeptieren möchte, wird eher ein Modell mit Verbrennungsmotor wählen.

Was die Simulationen von WECOM  aber sehr deutlich zeigen: Ein Verbrenner-Verbot wird in Summe sehr teuer, selbst dann, wenn dadurch unserer Volkswirtschaft keine zusätzlichen Kosten wegen des Verlusts an Wettbewerbsfähigkeit und durch Lieferengpässe entstehen sollten: Die Zusatzkosten in Deutschland würden sich schon so laut Simulation auf 11 Mrd. Euro pro Jahr (!) belaufen.

 

Ein klarer Appell an die politisch Verantwortlichen

Das technologieoffene Szenario ist also das volkswirtschaftlich günstigste, weil jede verordnete Einschränkung die Möglichkeit der Optimierung verringert. Was man an der Studie sehr gut sehen kann: Eine technologieoffene Politik sorgt für ein Zusammenspiel an Energieträgern und Technologien, das sich flexibel auf unterschiedliche Situationen in der Welt einstellen kann. Übrigens nicht nur im Mobilitäts-, sondern auch im Wärmesektor. Es sind immer Alternativen da, wenn es irgendwo Engpässe gibt, bei Heizungen zum Beispiel durch hybride Systeme (Wärmepumpe + Gasbrenner). Jedem sollte am Ende klar sein, wie wertvoll diese Flexibilität ist.

Sie werden sich jetzt sicher fragen, warum Sie von dieser Studie noch nichts gehört haben, warum z. B. die beteiligten Firmen sich nicht öffentlich äußern? Das Ergebnis scheint wohl nicht ins „Bild“ zu passen.

Doch warum setzt die Politik mit ihrer Only-Electric-Politik weiterhin auf Einfalt statt Vielfalt?

Ganz ehrlich, ich verstehe es nicht. Aber ich hoffe darauf, dass möglichst viele Leute Studien wie diese den verantwortlichen Politikern unter die Nase halten. Es ist höchste Zeit.

Noch eins: Bei CNG ist die Infrastruktur bereits vorhanden, sowohl bei Tankstellen als auch mit dem Leitungsnetz – bezahlt von von den Eigentümern ohne Fördergelder. Bei der E-Mobilität und Wasserstoff wird derzeit massiv gefördert – mit Milliarden Steuergeld. Nur: irgendwann muss das alles zurückgezahlt werden. Und wer wird dann wohl wieder zur Kasse gebeten werden? Richtig, Sie ahnen es…

 

Zur Person:
Birgit Maria Wöber ist u.a. Gründungsmitglied des CNG-Clubs und setzt sich seit vielen Jahren aus Überzeugung für Umwelt, Klimaschutz und möglichst nachhaltige Mobilität ein. Den Wandel im CNG-Antrieb vom fossilen zum regenerativen Kraftstoff begleitet die Expertin aktiv und engagiert, wo immer sich die Gelegenheit bietet.

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